Gisbert zu Knyphausen von der Band Husten im Interview

Gisbert zu Knyphausen Pressefoto PIAS

Mit seiner Band legt der aus dem Rheingau stammende, in Berlin lebende Sänger und Liedermacher Gisbert zu Knyphausen nun das zweite Album vor. Ein Interview zum spannenden Promi-Projekt Husten.

Interview von Werner Herpell

Als Band mit dem seltsamen Namen Husten firmieren seit einiger Zeit der Sänger und Songschreiber Gisbert zu Knyphausen, der Top-Produzent Moses Schneider und der Musiker/Schriftsteller Tobias „Tobi“ Friedrich alias Der Dünne Mann. Zuerst kamen einige toll gestaltete Vinyl-EPs heraus, dann im vorigen Jahr das überragende Deutschpop-Album „Aus allen Nähten“. Mit der ebenfalls tollen zweiten Studioplatte wird aus dem Promi-Projekt was richtig Festes. Wir sprachen mit dem schon viel länger sehr erfolgreichen und anerkannten Singer-Songwriter zu Knyphausen über die Lieder von „Aus einem nachtlangen Jahr“, seine Teamplayer-Rolle bei Husten und die nähere Zukunft als Band- und Solo-Musiker.

Hallo Gisbert, schön, Dich nach einem Vor-Corona-Interview zu Deiner Solo-Karriere wieder mal persönlich zu treffen. Jetzt also Husten, die Zweite. Man hat den Eindruck: Ja, das ist nun eine echte Band und nicht mehr nur das Projekt von drei bekannten deutschen Musikern. Wie kam es dazu?

Eine richtige Band-Platte

Gisbert zu Knyphausen: Ja, „Aus einem nachtlangen Jahr“ ist tatsächlich auch für uns drei wahrnehmbar eine richtige Band-Platte. Wir haben die Songs live im

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Proberaum arrangiert, mit den Mitmusikern, die wir letztes Jahr bei den ersten Live-Konzerten dabei hatten. Wir haben ein paar Mal im Proberaum geprobt und die Stücke dann in kurzer Zeit live eingespielt und dann auch gar nicht so viel Nachbearbeitung gemacht wie beim ersten Husten-Album. Hier war der Ansatz: Wir wollen den Live-Sound abbilden, wie er sich letztes Jahr entwickelt hat. Vom Schreibprozess her war es so, dass Tobi und ich, hier mehr noch geteilt als auf anderen Husten-EPs, die Texte geschrieben haben.

Zusammen? Oder eher wie Lennon/McCartney auf dem „Weißen Album“, also jeder für sich?

Gisbert zu Knyphausen: Teils, teils. Wir haben kurz vorm Studio auch noch zusammengesessen und die letzten Sätze zusammengeknüppelt. Die Grundideen kommen entweder von Tobi oder von mir, und dann basteln wir uns das zusammen. Ich gebe dann manchmal einen halbfertigen Text an Tobi, und der schreibt ihn um – oder umgekehrt. Das finde ich ganz spannend, weil ich das ansonsten ja überhaupt nicht so mache. Und selbst auf dem Kid-Kopphausen-Album war es eher so Lennon/McCartney-mäßig getrennt, bis auf ein Lied.

Dann seid Ihr laut PR-Beipackzettel in Mostril in Spanien ins Studio gegangen und hattet eigentlich noch gar keine Songs. Wie kann man sich das vorstellen?

„Noch vier oder fünf Baustellen“

Gisbert zu Knyphausen: Also die Songs waren schon zum größten Teil, für acht Lieder, fertig. Aber es gab diesmal noch vier oder fünf Baustellen. Ich bin ein paar Tage eher dort hingefahren und habe an Texten geschrieben, und im Studioprozess haben Tobi und ich noch ewig rumgebaut, bis dann die beiden letzten Stücke so fertig waren, dass wir zufrieden waren.

Und Moses Schneider war als Produzent derjenige, der letzte Hand an die Arrangements legt?

Gisbert zu Knyphausen: Auf jeden Fall. Moses hat auch Veto-Recht bei Texten. Kommt vor, dass er sagt: Nee, das ist total doof, das müsst ihr umtexten. Und dann machen wir das (lacht). Aber letztendlich ist er vor allem der Fachmann für die Arrangements, wo Tobi und ich uns dann fügen in seine Expertise. Weil er einfach so viel Erfahrung hat und auch so schnelle, gute Entscheidungen treffen kann, dass wir meist keine Gegenargumente haben. Außerdem war diesmal die Band viel mehr beteiligt, die Mitmusiker haben sehr viel Input eingebracht.

Spanien als Aufnahmeort war zwar sonnig und warm, aber die Platte klingt ganz schön düster – auch vom Sound her, wie etwa das postpunkige „Elli“. Oder „Nüchtern im Club (Nihilistendisco)“ mit der Aussage in Klimakrisen-Zeiten: Wir haben’s verkackt.

Ein krass pessimistisches Lied

Gisbert zu Knyphausen: Ja, der Text ist krass. Wir haben auch überlegt, ob wir den so stehen lassen können, weil er wirklich ein Gefühl abbildet im Sinne von: Vielleicht kann es die jüngere Generation noch lösen, vielleicht ist’s aber auch schon zu spät, viel Hoffnung haben wir nicht mehr für die Menschheit. Das ist natürlich nicht unsere Grundhaltung dem Leben gegenüber, das kommt hoffentlich in anderen Songs rüber – ich denke schon, dass die Menschen zu Positivem fähig sind. In diesem Song sind wir aber in der zynisch-abgefuckten Haltung geblieben. 

Ist aber ja auch nicht grundlos, und der Text fängt den Zeitgeist ein.

Gisbert zu Knyphausen: Auf jeden Fall. Der Song geht für mich einher mit dem ersten Lied der Platte, „Bis morgen dann“. Das sind Stücke, die aus einem Gefühl am Anfang der Pandemie gewachsen sind. Da dachte man doch: Jetzt ist mal alles aus den Fugen geraten, vielleicht bietet das aber auch eine Chance, radikale Veränderungen zu starten, wie wir als Menschen in dieser Welt funktionieren und wie wir unseren Planeten behandeln. Und dann die Desillusionierung, weil die Gesellschaft doch sehr schwer veränderbar ist. Da haben wir eine Chance vertan als Menschheit. 

Und doch ist der Song zu subtil, um eindeutig ein „politisches Lied“ zu sein.

Politische Themen „oft zu komplex“

Gisbert zu Knyphausen: Das ist für mich auch keine Option. Ich könnte mich darin nicht ernst nehmen, ein Lied mit klarer Schuldzuweisung, mit politischen Parolen zu schreiben. Ich finde politische Themen oft zu komplex, um sie in einen dreiminütigen Popsong im weitesten Sinne zu fassen. Aber generell gibt es diesmal mehrere Lieder, die ein gesellschaftliches Unwohlsein behandeln, wie etwa „Elli“.

Deine typische Songwriter-Melancholie, die man auf den Soloplatten so stark spürt, ist aber auch immer noch da.

Gisbert zu Knyphausen: Ja, die ist da, und die fühlt auch Tobi beim Schreiben. Moses ist dann unser Korrektiv und sagt: Nee, Leute, das ist mir jetzt zu hart, zu düster. Oder wenn das so bleibt, müssen wir wenigstens die Musik dazu so formen, dass es nicht nur eine total melancholische Ballade bleibt. 

Sonst wär’s ja auch ein reiner Knyphausen-Song.

Gisbert zu Knyphausen: Ja, stimmt. Oder ein reiner Dünner-Mann-Song.

Es gibt auf der neuen Platte dann aber auch Lieder, die was Fröhliches, Leichtes haben. Zum Beispiel „Lass mich bitte nicht in Ruh“, ein gelöster Schrammelpop-Song. Ist der von Dir?

Kontrastprogramm zum Solo-Gisbert zu Knyphausen

Gisbert zu Knyphausen: Nein, der ist tatsächlich von Tobi, die Grundakkorde und auch der Text, bis auf einen Satz von mir. Finde ich immer interessant, wie die Leute das wahrnehmen und was dann mir zugeschrieben wird und was nicht. Ich bin sehr froh, dass das Lied auf dem Album drauf ist, denn der Anspruch von Husten ist ja, dass es sich unterscheidet von meinen Soloalben.

Tobi und Du – das hört sich nach einem tollen Gespann an. Ist das für Dich eine neue Herausforderung – mit jemandem zu arbeiten, der auch als Schriftsteller auf Top-Niveau unterwegs ist? Macht das Spaß, oder ist es eher ein Tritt in den Hintern?

Gisbert zu Knyphausen: Beides. Es ist eine Herausforderung, die Spaß macht, und die mir teilweise neue Ideen oder Welten eröffnet – sowohl die Zusammenarbeit mit Tobi an den Texten, als auch ganz viel die Zusammenarbeit mit Moses an der Musik. Ich finde die Auseinandersetzung mit den anderen Köpfen immer inspirierend. Deshalb habe ich auch so große Lust, neue Projekte zu starten oder mit anderen Leuten zusammenzuarbeiten, wie jetzt in der Band Husten oder davor mit dem Schubert-Projekt mit Kai Schumacher. Weil ich mir bei meinen eigenen Songs manchmal zu sehr selbst im Wege stehe oder zu sehr in meiner eigenen Suppe schwimme, so dass ich den Wald nicht mehr sehe vor lauter Bäumen.

Aber es wird schon noch wieder eine neue Solo-Platte geben, oder? Dass Du ein Teamplayer bist, hast Du jetzt bewiesen, aber viele Fans lieben halt auch den Solo-Gisbert, den Singer-Songwriter, den Liedermacher.

Demnächst wieder eine Gisbert zu Knyphausen-Platte

Gisbert zu Knyphausen: Ja, es wird auf jeden Fall eine neue Platte geben. Jetzt gehen wir als Husten ab Oktober auf Tournee und werden nächstes Jahr auch noch etwas gemeinsam spielen, dann kommt eine kleine Pause, und jeder kann ein bisschen an jeweils eigenen Sachen arbeiten. Außerdem spiele ich ja noch Bass bei Paula Paula, das ist die Band meiner Lebensgefährtin (Marlène Colle). Im November ist die wilde Tour-Phase dieses Jahres vorbei – da werde ich nächstes Jahr ein klein wenig zurückschrauben und mir Zeit nehmen für ein neues Gisbert-Album. Es gibt drei richtig fertige Lieder, die ich super finde und die die Basis bilden, und dann ganz viele angefangene Sachen, die ich weiterschreiben will.

Gute Nachricht für alle Knyphausen-Fans. Aber nochmal zurück zu Husten – ich wollte immer schon wissen, warum ihr euch so genannt habt. Der Bandname lud ja gerade in der Pandemie zu Wortspielen ein.

Gisbert zu Knyphausen: Die langweilige Antwort ist, dass es ein Name ist, den Tobi schon lange mit sich rumgetragen hat. Er hatte mal angefangen, unter dem Projektnamen Husten Songs zu schreiben und zu arrangieren – wohl weil er ein Fan ist von der amerikanischen Band Soul Coughing. Jetzt, nach der Pandemie, können wir sagen, dass wir dem Husten wieder einen positiveren Beigeschmack geben wollten (lacht). Und auf die ersten EP hat der Name auch gut gepasst, weil es so rausgerotzte, rausgehustete Lieder waren wie „Liebe kaputt“ oder „Bis einer heult“.

Und jetzt seid ihr eine echte Band mit einem komischen Namen.

Husten ist „eine sehr ernstzunehmende Sache“

Gisbert zu Knyphausen: Ja genau, das ist eine sehr ernstzunehmende Sache geworden. Am Anfang haben wir das ja als kleinen Nebenbei-Studio-Spaßprojekt verstanden, und über die Jahre wurde die Arbeit daran immer ernsthafter. Und auch in der Pandemie war das für uns alle ein echter Anker.

Das Album „Aus einem nachtlangen Jahr“ von Husten erscheint am 29.09.2023 bei Kapitän Platte. (Beitragsbild: Archiv, Pressefoto, PIAS)

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